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VERSCHWINDENDE OBERFLÄCHEN

Drei Fragen an Elisa Ewert von Isabel Podeschwa

Isabel Podeschwa: Du hast Dich früher in Deiner Malerei mit Oberflächen beschäftigt, die Du im urbanen Raum vorgefunden hast, mit Spuren von Alterung, Überlagerungen, Auflösung. Du arbeitest jetzt vorwiegend an Objekten, die wiederum Oberflächen thematisieren. Was hat sich für dich geändert?

Elisa Ewert: In meinen malerischen Arbeiten habe ich auf dem Gebiet der haptischen, vibrierenden Oberfläche, entlang an den Grenzen des Materials experimentiert. Die Erkenntnisse aus diesen malerischen Experimenten fließen in die Gestaltung der Oberflächen meiner plastischen Arbeiten mit ein. Durch die Erweiterung meiner Arbeiten in den dreidimensionalen Raum hinein, wirkt die poröse und aufbrechende Oberfläche in ihrer Beschaffenheit unmittelbar. Oberfläche und Form verbinden sich zu einem gesteigerten Gesamteindruck.

Isabel Podeschwa: In deinen letzten Arbeiten gehst Du noch einen Schritt weiter. Du baust Gestelle für die Keramiken und setzt sie damit zueinander expliziter in Beziehung als das bei einem Arrangement an der Wand der Fall wäre. Sie bekommen dadurch eine fast erzählerische Einbindung, wie bei der Arbeit mit der Keramik, die über der Reling hängt. Sind für Dich die Gestelle „gleichberechtigte“ Teile der Objekte auf einer anderen Ebene, oder bleiben
sie Präsentationsdiplays?

Elisa Ewert: Durch die Installation der Keramiken am offenen Gerüst wie bei dem Objekt Deformed (2015) werden die Keramiken in ihrer gesamten Körperlichkeit erfahrbar. Die variierende Positionierung der Reliefs an verschiedenen Punkten des Trägers beeinflusst die Lesbarkeit der Reliefs in ihrer zerworfenen Form. Die einzelnen Keramiken sind variable Module. Der Kontrast zwischen der geometrischen Klarheit und Linearität des Gestells und der organischen Formung der Reliefs betont ihre deformierte Gestalt. Die Sichtbarriere, die eine Wand bilden würde, wird aufgelöst. Durch die Offenheit der Holzkonstruktion wird die
ganze Beschaffenheit der Keramiken offengelegt. Die rohe, unbearbeitete Rückseite wird sichtbar. Die hölzerne Konstruktion bleibt funktionales Gestell und bloßgelegtes Grundgerüst. Bei der Arbeit Gelegte Gelackte (2015) verbinden sich Gestell und Keramik zu einer Plastik aus zwei differierenden Elementen. Das Gestell ist hier als Teil der Plastik mitgedacht. In ihrer weichen Form und ihrer spezifischen Stofflichkeit hebt sich die Keramik kontrastreich
von der linearen Stahlkonstruktion ab.

Isabel Podeschwa: Trittst Du mit deiner Arbeit gegen das zunehmende Verschwinden von vielgestaltigen, offenen – und etwas pathetisch gesagt – verletzten Oberfächen in urbanen Zentren an und gegen die Konzepte, die diese Homogenisierung hervorbringen?

Elisa Ewert: In einem urbanen Raum, der sich zunehmend rationalisiert, verdichtet, von billig produzierbarer Geometrie und der Verkleidung von Material geprägt ist, bilden die von mir gefundenen Momente der zerfallenden Oberfläche einen notwendigen Bruch. Die getünchte Fassade beginnt hier abzublättern und die innere Beschaffenheit eines Materials wird sichtbar. Diese Momente sind für mich auch Ausdruck der Vergänglichkeit von durch den Menschen hergestelltem Material. Die Beobachtung solcher Oberflächen im öffentlichen Raum ist grundlegend für die Auseinandersetzung mit Materialität, Wahrnehmung und Transformation in meinen Arbeiten.